Anaïs Goutier bloggt über Erotik, Kunst und Zeitgeschehen


Über das Erotische im Märchen

Gustav Klimt: Danae, Wikimedia Commons (gemeinfrei)
Gustav Klimt: Danae, Wikimedia Commons (gemeinfrei)

Im deutschsprachigen Raum ist der Begriff „Märchen“ aufs Engste verknüpft mit den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm und damit gewissermaßen ein Synonym für wundersame Geschichten von Hexen, Zwergen und Prinzessinnen, die man Kindern aus bunt illustrierten Märchenbüchern vorliest.

Doch das war nicht immer das Wesen des Märchens. Das Märchen gilt als eine der ältesten Textgattungen der Welt, die in den unterschiedlichsten Kulturkreisen über viele Jahrhunderte ausschließlich mündlich überliefert wurde – man spricht vom s.g. „Volksmärchen“.

Wie der Name schon sagt, handelt es sich dabei um Erzählungen für alle Altersstufen, die keinesfalls nur für Kinder bestimmt waren. Ihre vorrangige Aufgabe war es von jeher, ihr Publikum zu unterhalten und erst in zweiter, nachgeordneter Linie, es moralisch zu belehren. Und als unterhaltsam empfanden die Menschen zu allen Zeiten und in allen Regionen der Welt in etwa das Gleiche: den Kampf zwischen Gut und Böse und den unweigerlichen Triumph des über sich selbst hinauswachsenden Helden über alle finsteren Mächte, der am Ende der Geschichte die schöne Prinzessin heimführen darf, garniert mit Zauberei und Erotik.

Erst im 17. Jahrhundert beginnen Märchensammler wie der Italiener Giambattista Basile und der Franzose Charles Perrault damit, Märchen aufzuschreiben und sie mit einer eigenen künstlerischen Handschrift zu versehen. Dabei richtet sich Basiles Sammlung Pentamerone (um 1635) an ein vorwiegend männliches, höfisches Publikum und versucht dieses mit geistreichen, aber auch gern derb-erotischen Szenen zu amüsieren. Auch Perrault schreibt Ende des        17. Jahrhunderts für ein adliges Publikum, aber gehören zu seinem Klientel in den Pariser Salons auch und vor allem Damen. Entsprechend bereinigt Perrault seine Märchen von aller schlüpfrigen Derbheit und erzählt sie dem Zeitgeschmack entsprechend als galante, teils kokette höfische Geschichten, denen er eine (mitunter ironische) Moral anfügt. Das Erotische aber ist aus Perraults Märchen noch nicht gänzlich verschwunden, sondern bildet an vielen Stellen gewissermaßen einen unterschwelligen Subtext.    

Jakob und Wilhelm Grimm schließlich sammeln und editieren ihre Kinder- und Hausmärchen, angeregt durch die Romantiker, nicht mehr unter dem Vorzeichen höfischer Galanterie, sondern unter der eines erstarkenden Bürgertums auf dem Weg zum Biedermeier. Akribisch säubern die strenggläubigen Calvinisten die Volksmärchen von allen erotischen, anzüglichen, vulgären (oder auch gesellschaftskritischen) Elementen, um sie einem rein pädagogisch-moralisierenden Zweck zuzuführen.

So sind aus dem uns heute geläufigen Grimm’schen Märchenschatz auf den ersten Blick alle erotischen und sexuellen Gehalte getilgt. Doch im Verborgenen schlummern sie auch in den Märchen der Brüder Grimm, tief vergraben hinter harmlosen Schwänken und biedermeierlichen Morallehren.

Ein viel zitiertes, weil auf dankbare Art symbolträchtiges und augenfälliges Beispiel ist das Märchen von Rotkäppchen, das gern für psychoanalytische und sexualwissenschaftliche Ausdeutungen herangezogen wird. Das Mädchen mit dem roten Käppchen (je nach Lesart ein Symbol für das noch intakte Hymen oder die erste Monatsblutung) droht durch den triebgesteuerten Verführer im Wolfspelz vom rechten Weg abzukommen. Es ist dies der Weg durch den dunklen Wald zum Haus der Großmutter, der den Initiations- und Lebensweg zu einem tugendhaften Erwachsenenleben versinnbildlichen soll.

Vom Tier im Manne, vor dem die Moral der Perrault’schen und Grimm’schen Märchen ihre jungen Leserinnen warnen, handeln noch eine ganze Reihe weiterer Märchen, darunter all jene, die das Motiv des Tierbräutigams enthalten. Bei den Grimms sind das beispielsweise Das singende klingende Löweneckerchen oder Von dem Sommer- und Wintergarten, doch am populärsten sind wohl die französischen (durch Gabrielle-Suzanne de Villeneuve und Jeanne-Marie Leprince de Beaumont aufgezeichneten) Varianten dieses Märchentyps unter dem Titel Die Schöne und das Biest.

Es ist jeweils die jüngste und schönste von drei Schwestern, die durch eine Verfehlung des Vaters einem schrecklichen Ungeheuer versprochen wird, das sich jedoch mit der Zeit als überraschend gütig und liebenswert erweist und die Liebe der jungen Frau erringt, durch die es seine wahre Gestalt (die eines Prinzen) zurückerlangen kann.

Vordergründig handeln die heute geläufigen Fassungen des Stoffes (darunter auch die bekannte Disney-Verfilmung) von der reinen, aufopferungsvollen Liebe der jungfräulichen Heldin, die über alle Äußerlichkeiten hinwegzusehen vermag.

Tatsächlich erzählt diese Gruppe von Märchen aber auch und vor allem von der unberechenbaren männlichen Triebnatur, von der sich das junge Mädchen zu gleichen Teilen angezogen und bedroht fühlt. Auch sie begibt sich wie Rotkäppchen auf eine Heldinnenreise in den fremden, finsteren Wald, muss ihre Familie und ihre Tochterrolle hinter sich lassen, um zur Frau zu reifen und das wilde Tier zu zähmen, dem sie versprochen ist.

Aber auch in anderen bekannten Märchen finden sich Rudimente und Relikte pikanterer Lesarten.

Zwar wird die schlafende Jungfrau in den Dornröschen-Fassungen von Perrault und den Grimms nicht mehr, wie noch bei Basile und in früheren Varianten der Geschichte (vgl. auch die Figur der Brunhilde in der Nibelungensage), von dem herbeieilenden Prinzen im Schlaf vergewaltigt und geschwängert, doch Hinweise auf die ursprüngliche, erotisch konnotierte Lesart des Stoffs bleiben dennoch selbst bei den Grimms erhalten. Nach wie vor erzählt das Märchen vom sexuellen Reifeprozess eines jungen Mädchens, den die besorgten Eltern hinauszuzögern versuchen, aber letztlich doch nicht verhindern können. Dornröschen wird sich an ihrem fünfzehnten Geburtstag an einer Spindel stechen, weissagt die böse Fee, woraufhin sie in einen hundertjährigen Schlaf fallen wird.

Zunächst ist das Spinnen seit der Antike ein Motiv für das weibliche Prinzip (vgl. bspw. das Spinnen des Schicksalsfadens durch die Nornen). Das Turmzimmer, das Dornröschen zum Zeitpunkt ihrer Geschlechtsreife betritt, ist ein geschützter Ort, an dem sie ihre erwachende Sexualität kennenlernen kann. Der Dorn der Spindel dringt ins Fleisch ein, bewegt sich vor und zurück und etwas Blut fließt. Das phallische Penetrationsmotiv erscheint hier unübersehbar. Doch diese (zu frühe?) weibliche sexuelle Bewusstwerdung ist gesellschaftlich unerwünscht. So versinkt die Prinzessin nach dieser ersten (auto-?)erotischen Erfahrung in ihrem hundertjährigen – je nach Fassung von einer undurchdringlichen Rosenhecke bewehrten – Schlaf, aus dem sie erst wenn die Zeit reif ist, durch den Kuss des Prinzen erweckt wird. Dieser Kuss kann als zweites, diesmal gesellschaftlich legitimiertes sexuelles Erwachen gedeutet werden, denn ihm folgt die Heirat, wodurch die weibliche Sexualität gebilligt und in ihre vorbestimmten Bahnen gelenkt wird.

 

Zum Schluss sei mit dem (bis zum antiken Danaë-Mythos zurückreichenden) Initiationsmärchen Rapunzel noch kurz ein besonders groteskes Beispiel für die radikal puritanische Märchen-Bearbeitung der Brüder Grimm erwähnt, bei dessen heute gebräuchlicher Fassung gänzlich unklar bleibt, wie und wann das in einen hermetisch abgeschlossenen Turm gesperrte Mädchen seine Jungfräulichkeit verloren und mit Zwillingen schwanger geworden ist…

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Kunst-Pornos von  Belle de Jour bis Nymphomaniac - Teil 8: Tagebuch einer Nymphomanin & Antichrist

Diesmal geht es in unserer Kunstporno-Serie mit Christian Molinas Tagebuch einer Nymphomanin um einen spanischen Hochglanz-Streifen und mit Lars von Triers zwischen Psychothriller und Horrortrip mäanderndem Sex-Drama Antichrist um den kontroversesten Beitrag zu den 62. Filmfestspielen von Cannes.


Tagebuch einer Nymphomanin (2008)

Christian Molinas Tagebuch einer Nymphomanin basiert auf dem gleichnamigen autobiografischen Roman der französisch-spanischen Schriftstellerin und Erotikforscherin Valérie Tasso.

Auf Empfehlung ihrer geliebten Großmutter (Geraldine Chaplin) führt Valérie penibel Tagebuch über ihre sexuellen Erfahrungen – und das sind eine Menge. Schon als Fünfzehnjährige entdeckt Valérie ihre Passion für die körperliche Liebe und für die Sexualität als reinstes aller Ausdrucksmittel.

Mit Ende zwanzig lebt sie als überzeugter Single in Barcelona und pflegt rein sexuelle Beziehungen u.a. zu dem charismatischen Araber Hassan und dem liierten Alex, der die Beziehung allerdings wegen Valéries sexueller Unersättlichkeit beendet. Als sie ihren Job verliert, reist sie zu ihrer schwerkranken Großmutter und spricht mit ihr über ihre Nymphomanie. Auf dem Totenbett gibt ihr ihre einzige Seelenverwandte den Rat, das Leben zu leben, wie man es will und nichts zu verpassen. Bei einem Bewerbungsgespräch verliebt sich Valérie vielleicht zum ersten Mal und geht eine nahezu platonische Liebesbeziehung mit Jaime ein, der sie mit Geschenken und Aufmerksamkeit überschüttet. Doch als Valérie eine neue Stelle annimmt, zeigt Jaime sein wahres Gesicht. Er ist krankhaft eifersüchtig, gewalttätig und lebt über seine Verhältnisse. Valérie verlässt ihn und treibt das gemeinsame Kind ab. Als sie erkennt, dass sie seit Monaten keinen Orgasmus mehr hatte, prostituiert sie sich in einem teuren Bordell. Eine Zeit lang findet sie Erfüllung in dieser Tätigkeit, doch dann wird sie von einem Kunden vergewaltigt und eine Kollegin stirbt...

 

Tagebuch einer Nymphomanin wurde 2009 für mehrere Gaudís, die spanischen Oscars, nominiert, bleibt aber vor allem ein edel fotografierter Hochglanz-Erotikfilm. Allein die schauspielerischen Leistungen und die Qualität der Dialoge lassen erkennen, dass es sich hier um eine Literaturverfilmung handelt.

 

 

Antichrist (2009)

Hans Baldung Grien, Wikimedia Commons (gemeinfrei)
Hans Baldung Grien, Wikimedia Commons (gemeinfrei)

Der Däne Lars von Trier (Idioten, Dogville, Nymphomaniac) ist der Regie-Exzentriker und das Enfant terrible des Kunst- und Autorenfilms. Sein mit Willem Dafoe und Charlotte Gainsbourg besetztes Werk Antichrist aus dem Jahr 2009 festigte von Triers Ruf als Skandalfilmer.

Antichrist gliedert sich in einen Prolog, vier Kapitel und einen Epilog. Während sich das namenlose Ehepaar im schwarz-weißen Prolog zu den Klängen von Händels Arie Lascia ch'io pianga leidenschaftlichem Sex hingibt, stürzt ihr kleiner Sohn aus dem Fenster in den Tod. Die Mutter versinkt daraufhin in einer schweren seelischen Krise, aus der der Ehemann (selbst Psychologe) sie therapeutisch zu befreien versucht. Schließlich besucht er mit ihr die Waldhütte 'Eden', in der seine Frau den vorangegangenen Sommer mit ihrem Sohn verbracht und an ihrer Dissertation über Hexenverfolgung gearbeitet hat. Der Wald präsentiert sich düster und unheilvoll, bevölkert von Todesboten wie einem Reh mit einer Totgeburt und einem sprechenden Fuchs (Zitat: »Chaos regiert!«), der sich selbst verschlingt. Während die Frau sich zunächst vor der Natur fürchtet, legen sich ihre Verzweiflung und ihre Ängste allmählich im selben Maße, in dem ihre Abneigung und ihre Aggression gegenüber ihrem Ehemann zunehmen. Auf dem Dachboden findet er Notizen für ihre Doktorarbeit, die sich mit Misogynie, Folter und Hexenverbrennung beschäftigen und entdeckt außerdem auf Fotos Hinweise darauf, dass seine Frau den kleinen Sohn systematisch misshandelt und gequält hat. Die fragile Situation eskaliert, als die Frau ihren Mann während des Geschlechtsakts niederschlägt…

Das existenzielle Ehedrama mündet in eine wahre Gewaltorgie voller sexueller, psychologischer und mythologischer Querverweise. Schuld und Sühne, Eros und Thanatos, das ewig Weibliche und das ewig Männliche, Natur und Kultur sind nur einige der spannungsgeladenen Gegensatzpaare, die von Trier in Antichrist kollidieren lässt. Dabei ist die kompromisslose Drastik der unfassbar grausamen sexuellen Folter- und Verstümmelungsszenen teils kaum zu ertragen.

 

Antichrist ist mit Sicherheit einer der gehaltvollsten und verweisreichsten, dazu einer der schauspielerisch beeindruckendsten und bildstärksten Beiträge unserer Reihe, aber vermutlich auch der nachhaltig schockierendste Film seines Genres. 

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Kulinarische Verführung - Teil 1: Champagner-Rosen-Macarons

Liebe geht durch den Magen, heißt es im Volksmund, und tatsächlich bestreitet wohl niemand, dass ein gutes Essen purer Genuss und reine Verführung sein kann und dass es eine sehr romantische, bisweilen höchst sinnliche Angelegenheit ist, für oder mit dem/der Liebsten zu kochen oder sich von ihm/ihr verwöhnen und kulinarisch verführen zu lassen. Schließlich spricht der Akt des Kochens und des Essens all unsere Sinne an – köstliche Düfte, die sinnliche Haptik der Lebensmittel bei der Zubereitung, die Wahrnehmung der einzelnen Geschmackskomponenten beim Naschen und beim anschließenden gemeinsamen Verzehr... Ein köstliches Mahl, ein Glas guter Wein und romantischer Kerzenschein – mehr braucht es nicht für ein gelungenes kulinarisches Vorspiel der klassischen Art.

Noch sinnlicher aber wird die ganze Angelegenheit, wenn man die aphrodisierende Wirkung so mancher Lebensmittel kennt und einzusetzen weiß. Das wohl berühmteste und zugleich plakativste Aphrodisiakum auf unseren Tellern ist die Auster, deren positive Wirkung auf die Manneskraft schon Giacomo Casanova beschwor. Aber es geht auch weitaus subtiler und eleganter…

 

 

Sinnliche Champagner-Rosen-Macarons mit weißer Schokolade


Beginnen wir unseren Streifzug durch die Welt der kulinarischen Verführungen mit einem köstlichen Mandel-Baisergebäck, wie es charmanter, sinnlicher und französischer nicht sein könnte.

pixabay.com
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Dabei liegt der Ursprung dieses ebenso zarten wie eleganten Feingebäcks nicht in Frankreich, sondern vermutlich im arabischen Raum, von wo aus es zunächst nach Italien und von dort durch Caterina de Medici an den Hof Henri II. kam. Auch der Sonnenkönig Louis XIV. und Marie-Antoinette sollen in die süße Köstlichkeit vernarrt gewesen sein. Seither gehört das Macaron zum Standard-Repertoire der französischen Patisserie-Kunst.

Das meist mit etwas Lebensmittelfarbe gefärbte Macaron besteht aus einer cremigen Ganache (oder Buttercreme) zwischen zwei runden Mandelbaiser-Scheiben, deren knackige Kruste idealerweise ganz dünn und glatt und deren Innenleben weich und feucht sein sollte. Im Hinblick auf Geschmacksrichtungen, Farben und Kombinationsmöglichkeiten sind der Fantasie nahezu keine Grenzen gesetzt.

Eine ganz besonders edle und sinnliche Variante der köstlichen Macarons möchte ich hier vorstellen – mit prickelndem Champagner, aphrodisierender Schokolade und einem Hauch romantischen Rosen-Aromas.

 

 

Rezept (für etwa 30 Macarons, 3 cm Durchmesser)

 

Für den Teig

  • 225 g Puderzucker
  • 135 g feinst gemahlene Mandeln
  • 3 Eiweiß (möglichst exakt 105 g)
  • 30 g Zucker
  • Rote Lebensmittelfarbe

Für die Ganache

  • 100 ml Champagner (gern rosé)
  • 180 g Sahne
  • 400 g weiße Schokolade
  • 2 TL Rosenwasser

 

Zur Vorbereitung:  

 

Backpapier als Schablone für das Aufspritzen der Macarons vorbereiten. Solche Schablonen findet man im Internet oder man behilft sich einfach mit einem Zirkel oder einem Glas mit passendem Durchmesser. Rund 30 Kreise mit etwa 3 cm Durchmesser im Abstand von ebenfalls etwa 3 cm aufzeichnen.


Die Ganache:

 

Für die Ganache Sahne im Topf erhitzen. Die weiße Schokolade raspeln oder kleinhacken und mit der heißen Sahne übergießen. Beides zu einer glatten, glänzenden Masse verrühren und anschließend Champagner und Rosenwasser hinzufügen. Alles gut verrühren und über Nacht in den Kühlschrank stellen.

 

Der Macaron-Teig:

 

Am nächsten Tag das Eiweiß mit dem Zucker zu einem festen Eischnee schlagen (etwa 8 Minuten) und dann mit etwas Lebensmittelfarbe rosa färben. Die Masse weiterschlagen, bis sie gleichmäßig eingefärbt ist.

Die feinst gemahlenen Mandeln und den Puderzucker noch einmal zusammen im Blitzhacker fein mahlen und dann durch ein feines Sieb sieben.  Die Mandel-Zucker-Mischung in mehreren Etappen zum Baiser geben und vorsichtig unterheben, bis ein zäh fließender, glatt-glänzender Teig entstanden ist.

 

Die Macarons:

 

Das als Schablone präparierte Backpapier auf ein Backblech legen. Den Macaron-Teig in einen Spritzbeutel mit Lochtülle füllen und möglichst gleichmäßige Tupfen in die vorgezeichneten Kreise spritzen. Vorsichtig von unten gegen das Blech klopfen, um Luftblasen und Unebenheiten zu vermeiden.

pixabay.com
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Die Tupfen 30 bis 60 Minuten lang ruhen lassen, bis sich eine feine Haut auf den Macarons gebildet hat.

Den Backofen währenddessen auf 140° C Umluft vorheizen und die Macarons auf mittlerer Schiene 12 bis 15 Minuten lang backen.

Das Backpapier mit den Macaron-Hälften vorsichtig vom Blech nehmen und auf einem Kuchengitter abkühlen lassen. Dann die Macarons nach Größe und Form in passende Paare sortieren.

Die jeweils untere Macaron-Hälfte jedes Pärchens mit einer guten Menge Ganache bespritzen, aber so, dass die Füllung später nicht herausläuft. Anschließend den Deckel aufsetzen und ganz behutsam andrücken.

Die fertigen Macarons in eine luftdicht schließende Dose füllen und für den perfekten Geschmack nochmals 24 Stunden in den Kühlschrank stellen. Anschließend sind sie außen besonders knackig und innen  wunderbar cremig.

Nach Bedarf mit kandierten Rosenblättern oder anderer Deko ausgarnieren.

 

Bon appétit!

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Kunst-Pornos von Belle de Jour bis Nymphomaniac - Teil 7: Die Träumer & 9 Songs

Nach längerer Unterbrechung geht es endlich weiter mit den Kunst-Pornos von Belle de Jour bis Nymphomaniac.

Die Träumer ist nach Der letzte Tango in Paris bereits der zweite Beitrag von Regie-Großmeister Bernardo Bertolucci in unserer Blog-Serie und steht seinem berühmten Vorgänger weder im Hinblick auf seinen Kunstanspruch, noch in seiner expliziten Bildsprache nach. Michael Winterbottoms 9 Songs ist eine Art filmgewordenes Experiment zwischen Musikfilm und Hardcore-Porno.



Die Träumer (2003)

Egon Schiele: Freundschaft, Wikimedia Commons (gemeinfrei)
Egon Schiele: Freundschaft, Wikimedia Commons (gemeinfrei)

Bernardo Bertoluccis Die Träumer, nach dem gleichnamigen Roman von Gilbert Adair, spielt vor dem Hintergrund der aufkommenden Studentenunruhen des Jahres 1968 in Paris. Das Pariser Geschwisterpaar Théo (Louis Garrel) und Isabelle (Eva Green) und ihr amerikanischer Freund, der schüchterne Austauschstudent Matthew (Michael Pitt), zählen zu den Cinephilen, die jeden Abend den Vorführsaal der  Cinémathèque Française bevölkern. Als deren Direktor Henry Langlois durch die de Gaulle-Regierung abgesetzt wird und sich die studentischen Proteste formieren, zieht sich das Trio in die Enklave der elterlichen Wohnung zurück, wo ihre ganz eigene Revolution stattfindet. Über harmlose Filmratespiele, die mit immer höheren Einsätzen verbunden sind, steigern sie sich in ein Spiel um Lust und Begierde, das die Grenzen bürgerlicher Moral überschreitet, ein Experiment der Entgrenzung, des Rausches und der Liebe. In ihrer eigenen, hermetisch abgeschlossenen Welt stellen sie eigene Regeln auf und entblößen dabei nicht nur ihre Körper, sondern auch ihre Seelen. Am Ende dringt der Lärm der Straße in die Wohnung ein und zwingt die Träumer aufzuwachen ...

 

Die Träumer ist in erster Linie ein Fest für Cineasten und eine poetische Liebeserklärung an die Magie des Kinos und die Kraft der Imagination, eine Hommage an das Jahr 1968, an die Jugend, die Rebellion und an Paris. Der Film gleicht einer kammerspielartigen Versuchsanordnung und wirkt dabei doch zutiefst authentisch. Aber Die Träumer ist auch ein sehr sinnlicher, ehrlicher Film über Adoleszenz, das Erwachen von und das Experimentieren mit dem eigenen Körper und seiner Sexualität und über das Erwachsenwerden. In expliziter, zwischen Dokumentarismus und Pornographie mäandernder Manier visualisiert Bertolucci gesellschaftlich tabuisierte Bereiche menschlicher Sexualität – Masturbation, Defloration, Menstruation und inzestuöse Geschwisterliebe.

 

 

9  Songs (2004)

Michael Winterbottoms 9 Songs handelt von der amerikanischen Austauschstudentin Lisa und dem Antarktis-Forscher Matt, die sich bei einem Rock-Konzert in der Londoner Brixton Academy kennenlernen und einen Sommer zusammen verbringen – mit Konzertbesuchen und hemmungslosem, experimentierfreudigem Sex in Matts Apartment. Doch bei einem Ausflug ans Meer gesteht Matt Lisa seine Liebe und bringt damit alles in Wanken…

Gesprochen wird wenig in Winterbottoms mit Laiendarstellern und improvisierten Dialogen realisiertem Experimentalfilm, dafür gibt es umso mehr Musik und Sex. Neun Konzerte angesagter Brit-Pop-Bands von den Dandy Warhols bis Franz Ferdinand wechseln sich mit neun äußerst realistischen Sexszenen ab, die pornographische Nahaufnahmen von Penetration und Ejakulation einschließen.

Der erklärte Beweggrund des Regisseurs, auszuloten, wie weit man im Kunst- und Mainstream-Kino gehen kann, ist zugleich die größte Schwäche des Films. Die konzeptionelle, episodenhafte und dialogarme Dramaturgie zusammen mit dem quasidokumentarischen Stil der expliziten Sexszenen lässt 9 Songs wie eine Versuchsanordnung wirken. Die Figuren bleiben schablonenhaft, einen Handlungsverlauf gibt es nicht. Sehenswert ist 9 Songs eigentlich nur wegen seiner Musik. Wer allerdings ein gehaltvolles Erotikdrama mit expliziter Bildsprache sucht, ist beispielsweise mit Intimacy weitaus besser beraten.

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Merci beaucoup!

Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich für überwältigende 1000 Besuche(r) auf meinem Blog bedanken! Zwar fehlen mir zugegebenermaßen jegliche Vergleichswerte, aber ich denke, das ist kein schlechter Schnitt für einen noch so jungen Blog.

Ich muss gestehen, dass dieses Metier für mich absolutes Neuland ist und ich mich vollkommen unbedarft auf dieses Abenteuer eingelassen habe. Chez Anaïs Goutier ist kein Autorenblog im klassischen Sinn, sondern das Experiment, Versatzstücke meiner wissenschaftlichen Arbeit auf populärwissenschaftlicher Ebene mit meiner belletristischen Tätigkeit zu verknüpfen und im besten Falle hier und da zur Deckung zu bringen.

Stil und Inhalt der einzelnen Beiträge werden daher immer Schwankungen unterworfen sein und mal mehr in literarische, in journalistische oder auch in fachliche Richtung ausschlagen.

Wie gesagt, ist das ein gewagtes Experiment, das noch ganz am Anfang steht. Gerade daher liegt es mir aber besonders am Herzen, die Gradmarke der 1000 Besuche(r) zum Anlass zu nehmen, um ein erstes Feedback zu bitten. Nur so kann ich einschätzen, ob Chez Anaïs Goutier auf dem richtigen Weg ist.

 

Liebe Leserinnen und Leser, bitte nutzt die Kommentarfunktion (hier oder bei Facebook) und lasst mich wissen, wie ihr hierher gekommen seid, was euch an Chez Anaïs Goutier gefällt und was man besser machen könnte. Ich freue mich auf eure Rückmeldung!

 

Herzliche Grüße,

     

Anaïs Goutier

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Kunst-Pornos von Belle de Jour bis Nymphomaniac - Teil 6: Intimacy & Secretary

Wir läuten das neue Jahrtausend ein mit zwei erotischen Festival-Gewinnern, die unterschiedlicher kaum sein könnten.

Patrice Chéreaus existenzielles Erotikdrama Intimacy gewann den Goldenen Bären der Berlinale, Steven Shainbergs erotische Tragikomödie Secretary den Jury-Preis beim Sundance Film Festival.

Intimacy (2001)

Egon Schiele: Umarmung, Wikimedia Commons (gemeinfrei)
Egon Schiele: Umarmung, Wikimedia Commons (gemeinfrei)

Patrice Chéreaus preisgekröntes Sexdrama Intimacy mit Mark Rylance und Kerry Fox in den Hauptrollen basiert auf einem Roman des britischen Schriftstellers Hanif Kureishi (The Buddha of Suburbia, Mein wunderbarer Waschsalon).

Ein Mann und eine Frau treffen sich jeden Mittwoch zum ungestümen Sex, dann gehen sie wieder getrennte Wege. Als Claire eines Tages nicht erscheint, folgt Jay ihr beim nächsten Mal heimlich und findet heraus, dass sie Laienschauspielerin ist und eine Familie hat. Er selbst hat seine Familie seines Freiheitsdrangs wegen verlassen, doch Claire fängt an, ihm etwas zu bedeuten. Der Versuch, sich mit ihrem Mann Andy (Timothy Spall) anzufreunden, ist allerdings zum Scheitern verurteilt und verändert alles…

Auf den ersten Blick scheint Intimacy schlicht eine Variation von Der letzte Tango in Paris zu sein. Ein Paar trifft sich zum unverbindlich-anonymen Sex, wobei sich der Konflikt daraus ergibt, dass er jegliche sozialen Bindungen verloren hat und beginnt, in ihr seine (letzte) Rettung zu suchen, während sie durchaus gebunden ist und diese sozialen Verpflichtungen letztendlich nicht für ihre Affäre aufgeben kann und will.

Wie Der letzte Tango in Paris (und einige andere Filme unserer Serie) lebt Intimacy vor allem von seiner expliziten, ungeschminkten Darstellung von Sexualität. Fernab von der Hochglanzästhetik der Pornoindustrie mit ihren normierten Traumkörpern und Fantasiestellungen zeigt Patrice Chéreau, wie Sex wirklich ist: lustvoll, erputiv, schweißtreibend, mitunter brutal, animalisch und schmutzig. Im quasi-dokumentarischen Stil macht die Handkamera den Zuschauer zum Voyeur ohne Lustgewinn. Denn Lust empfinden hier nur die Beteiligten und genau das unterscheidet Intimacy von einem Porno.

Der Mehrwert für den Betrachter ist kein erotischer, sondern ein intellektueller. Es geht um enttäuschte Hoffnungen, (Selbst-)Aufgabe, soziale Normen, um die Verleugnung und den Verlust von Gefühlen.

Secretary (2002)

Steven Shanebergs Film Secretary ist eine SM-Romanze mit tragikomischen Elementen nach einer Erzählung von Mary Gaitskill (Bad Behavior).

Die labile, unter einer Borderline-Störung leidende Lee Holloway (Maggie Gyllenhaal) bewirbt sich nach einem Suizidversuch und einem längeren Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik um eine Stelle als Sekretärin bei dem Anwalt Edward Grey (James Spader). Schon bald entwickelt sich zwischen dem verklemmten Juristen und der instabilen Lee eine SM-Beziehung, bei der Lee nicht nur ihre devoten Neigungen entdeckt, sondern unter Greys dominanter Führung auch lernt, ihre destruktiven Selbstverletzungen zu kontrollieren und aufzugeben. Während Lee auflebt, schreckt Grey vor der Entwicklung ihrer Beziehung zurück und kündigt Lee. Doch die gibt nicht so schnell auf…

Es ist erstaunlich, wie souverän Secretary zwischen den Genres pendelt und in Gestalt einer romantischen Komödie so diffizile Themen wie Suizid, Borderline und Sadomasochismus verhandelt. Es ist vor allem dem brillanten, differenzierten Spiel der Hauptdarsteller zu verdanken, dass dieses Experiment glückt und immer die Balance zwischen Ernst und Leichtigkeit gewahrt wird.

Ist es in Fifty Shades Of Grey (man beachte die Namensverwandtschaft) die Aufgabe der Frau, den Mann von seinen dunklen Trieben zu heilen, ist es hier ausgerechnet BDSM, das zwei schüchterne Außenseiter zusammenbringt und ihnen hilft, ihre Neurosen zu überwinden.

Secretary ist eine unkonventionelle Romanze mit etwas SM und viel Herz.

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Kunst-Pornos von Belle de Jour bis Nymphomaniac - Teil 5: Der Liebhaber & Eyes Wide Shut

Jean-Jacques Annaud und Stanley Kubrick, bzw. Marguerite Duras und Arthur Schnitzler sind die prominenten Namen, mit denen wir unsere Entdeckungsreise durch die Welt des erotischen Kinos in den 1990er Jahren fortsetzen. Mit Der Liebhaber und Eyes Wide Shut kommen wir zu zwei kongenialen Literaturverfilmungen, die den erotischen Gehalt ihrer Vorlagen auf ganz eigene Weise ins Bild setzen.

Der Liebhaber (1992)

1992 adaptiert Jean-Jacques Annaud (Der Name der Rose, Sieben Jahre in Tibet) mit Der Liebhaber eine autobiographische Erzählung von Marguerite Duras.

Der Film spielt im Saigon der 1920er Jahre, zur Zeit der französischen Kolonialherrschaft. Auf einer Mekong-Fähre kommt es zur ersten Begegnung der fünfzehnjährigen französischen Pensionatsschülerin und eines doppelt zu alten chinesischen Aristokraten. Beide fühlen sich zueinander hingezogen und beginnen, den geltenden Konventionen zum Trotz, eine leidenschaftliche Affäre. Von der verarmten Familie aufgrund finanzieller Zuwendungen stillschweigend geduldet, entdeckt die junge Französin mit ihrem schönen und wohlhabenden chinesischen Geliebten die Geheimnisse der ersten Liebe und die hohe Kunst des Liebesspiels. Doch die Wirklichkeit wird das Paar einholen und der skandalösen Amour fou ein Ende setzen…

Obwohl die erotische Liebesgeschichte in Annauds Adaption deutlich im Zentrum des Geschehens steht, ist sein prächtig ausgestatteter und von Robert Fraisse meisterhaft fotografierter Film auch ein schillerndes Gesellschaftskaleidoskop und ein genau beobachtetes Familiendrama, das Konfliktthemen wie Rassismus, Prostitution und Opiumsucht im kolonialen Indochina aufgreift.

Aber berühmt geworden ist Der Liebhaber nun mal vor allem wegen seiner ebenso intimen wie expliziten Sexszenen. Nahaufnahmen und lange Einstellungen während der durchweg höchst sinnlich und geschmackvoll arrangierten Bettszenen schürten das hartnäckige Gerücht, die Hauptdarsteller hätten vor Fraisses Kamera echten Geschlechtsverkehr vollzogen, was der Regisseur wohl aus Marketinggründen auch lange Zeit nicht dementierte.

Der Vergleich zum kontroversen Lolita-Stoff und den zahlreichen Nabokov-Verfilmungen liegt bei Der Liebhaber natürlich nahe, doch ist die Schwerpunktsetzung hier eine ganz andere. Statt der pädophilen Obsession verhandelt Annauds Film viel mehr den Zauber des sexuellen Erwachens, die erotische Initiation und die körperliche Bewusstwerdung seiner jungen Protagonistin. Insofern ist Der Liebhaber fast schon ein Lehrfilm über die Geheimnisse des sexuellen Begehrens, ein sinnlich-poetischer Ratgeber allemal.

Eyes Wide Shut (1999)

Egon Schiele, Wikimedia Commons (gemeinfrei)
Egon Schiele, Wikimedia Commons (gemeinfrei)

Bereits seit 1971 war Meisterregisseur Stanley Kubrick (2001: Odyssee im Weltraum, Uhrwerk Orange) im Besitz der Filmrechte an Arthur Schnitzlers Traumnovelle. Die erst 1999 mit dem damaligen Glamour-Ehepaar Nicole Kidman und Tom Cruise realisierte Adaption des Stoffes mit dem Titel Eyes Wide Shut sollte die letzte Regiearbeit des noch vor Fertigstellung verstorbenen Ausnahme-Filmemachers werden.

Schnitzlers im Wien der Jahrhundertwende angesiedelte, von Symbolismus, Traumdeutung und Psychoanalyse beeinflusste Novelle schildert den Einbruch des Sexus in das Leben eines wohlanständigen Arztehepaars.

Stanley Kubrick verlegt die Handlung in das New York City der Gegenwart. Wie in der Vorlage gerät eine erotische (Seitensprung-)Beichte der Ehefrau zum Auslöser für eine nächtliche Odyssee des Ehemannes, die ihn wie in einem erotischen Stationendrama von einem Ort an den nächsten führt. In einem Jazzclub erzählt ihm ein ehemaliger Kommilitone und jetziger Barpianist schließlich von einem nächtlichen Engagement bei einer Geheimgesellschaft, bei deren regelmäßigen Festivitäten er mit verbundenen Augen spielen muss. Er verweigert seinem Freund, ihn dorthin mitzunehmen, nennt ihm aber Losungswort und Dresscode der Veranstaltung auf einem luxuriösen Anwesen außerhalb der Stadt. Mit einem Kostüm und einer venezianischen Maske vom Verleih erhält Bill tatsächlich Zutritt zu der exklusiven Veranstaltung, die aus einer erotischen Zeremonie und einer nachfolgenden Orgie besteht.

Eine der anwesenden Frauen warnt ihn mehrfach vergeblich – wie bei Schnitzler wird der Eindringling entlarvt und soll vor den Augen der Anwesenden bestraft werden. Doch die anonyme Dame opfert sich, seine Strafe an seiner Statt zu erdulden und Bill darf das Anwesen unbehelligt verlassen, unter der Bedingung, diesbezüglich keine weiteren Nachforschungen anzustellen.

Tatsächlich versucht Bill an den darauffolgenden Tagen vergebens, Licht in das mysteriöse Dunkel zu bringen. Die Antworten, die er erhält, sind ebenso beunruhigend wie widersprüchlich und so kehrt er letztlich reumütig in den Schoß der Familie und in die Arme seiner Ehefrau zurück…

Denkt man an Eyes Wide Shut, kommt einem zuerst unweigerlich die Orgienszene in den Sinn. Kein Wunder, stellt Stanley Kubrick den erotischen Maskenball mit rund 17 Minuten Spieldauer doch so prominent ins Zentrum seines Films, dass keine andere Szene mit dieser konkurrieren könnte.

James Ensor, Gustav Klimt, Egon Schiele und vor allem Helmut Newton standen Pate für diesen opulenten, perfekt komponierten und choreographierten Bilderreigen.

Die zu sakralen Mönchsgesängen abgehaltene Zeremonie mit den venezianisch kostümierten Herren und den nackten, opulent maskierten Damen, der daran anschließende Maskenball und die tatsächliche Orgie, bei der sich die Paare und Gruppen in den weitläufigen Gemächern des Schlosses vergnügen, sind ein Fest für den Betrachterblick.

Dieser verbotene Blick, das Sehen und Nichtsehen, die Irritation der Wahrnehmung sind es, von denen Eyes Wide Shut handelt. Auch wenn Stanley Kubrick die psychoanalytische Lesart der Vorlage durch einen eher soziologischen, gesellschaftskritischen Deutungsansatz ersetzt, bleibt es ein Film über den unerhörten Einbruch der erotischen Imagination in die wohlgeordnete Realität.

 

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Kunst-Pornos von Belle de Jour bis Nymphomaniac - Teil 4: Verführung & 9 1/2 Wochen

Wir kommen zu den 1980er Jahren und zwei Filmen zum Thema SM, die kaum unterschiedlicher sein könnten. Verführung: Die grausame Frau von Elfi Mikesch und Monika Treut ist ein ebenso provokanter wie experimenteller deutscher Kunstfilm, 9 ½ Wochen von Adrian Lyne ein Hollywood-Erotikdrama im Hochglanz-Look. Hier kommen vermutlich der unbekannteste und der berühmteste Film unserer Blogserie zusammen.

Verführung: Die grausame Frau (1985)

Franz von Stuck: Die Sünde, Wikipedia Commons (gemeinfrei)
Franz von Stuck: Die Sünde, Wikipedia Commons (gemeinfrei)

Verführung: Die grausame Frau ist ein Film der avantgardistischen Regisseurinnen Elfi Mikesch und Monika Treut aus dem Jahr 1985 mit Mechthild Großmann und Udo Kier in den Hauptrollen. Angelehnt an Die Venus im Pelz von Leopold von Sacher-Masoch entführt der collagehafte, assoziative Film in die ebenso faszinierende wie düstere Parallelwelt des Sadomasochismus.

Die geschäftstüchtige Domina Wanda veranstaltet in ihrem Galerie-Club im Hamburger Hafen regelmäßig artifizielle SM-Shows für gut zahlendes Publikum mit ihrer Entourage aus männlichen und weiblichen Subs, zu denen neben ihrem devoten Liebhaber Gregor (Udo Kier) bald auch der Journalist Märsch (Kunstprofessor Peter Weibel) zählt, der eigentlich einen Artikel über Wanda und über „abweichendes Sexualverhalten“ schreiben will. Wie alle Figuren im Film verfällt auch er der androgynen Femme Fatal und taucht ein in die fremde Welt aus Dominanz und Unterwerfung, Lust und Obsession. Erst als die Eifersucht in den erotischen Mikrokosmos Einzug hält, kommt das fragile Beziehungsgeflecht ins Wanken…

Verführung: Die grausame Frau ist eindeutig der feministischste Film in dieser Blogserie, mit einer starken, selbstbestimmten Frauenfigur im Zentrum. Wie Sacher-Masochs Wanda ist Mechthild Großmann mit ihrer Reibeisenstimme eine sinnliche Tyrannin, eine erotische Walküre, göttlich und grausam zugleich.

Verführung: Die grausame Frau kann zweifelsfrei zu den künstlerisch wertvollsten Beiträgen gezählt werden. In einer avantgardistischen Bildsprache mit experimentellen Kamera-Einstellungen und kunstvollen Verzerrungen gedreht, ist er ein leuchtendes Beispiel für die Radikalität des europäischen Underground-Kinos. Travestie und Transgender-Fragen werden ebenso offen und bildhaft verhandelt wie Sadomasochismus und abseitige sexuelle Fetische verschiedener Couleur.

9  1/2 Wochen (1986)

Ein SM-Film ganz anderer Art, im Grunde das genaue Gegenteil zu Verführung: Die grausame Frau, ist Adrian Lynes Erotikdrama 9 ½ Wochen aus dem Jahr 1986 mit Kim Basinger und Mickey Rourke in den Hauptrollen.

Der erfolgreiche Börsenmakler John und die Galeristin Elisabeth begegnen sich zufällig in New York. Bei ihrer zweiten zufälligen Begegnung macht John ihr ein teures Seidentuch zum Geschenk und beide beginnen eine rein sexuelle Beziehung. Dabei führt der dominante John die unbedarfte, aber faszinierte Elisabeth durch zunehmend sadomasochistisch geprägte Spiele Schritt für Schritt in seine Welt aus Dominanz und Unterwerfung. Doch nach 9 ½ Wochen zieht Elisabeth die Reißleine…

Berühmt ist 9 ½ Wochen für Kim Basingers Striptease zu You Can Leave Your Hat On und die kulinarische Verführungsszene auf dem Küchenfußboden.

Ich habe mich schwergetan mit der Entscheidung, 9 ½ Wochen in diese Blogserie über Kunst-Pornos aufzunehmen. Abgesehen von Elisabeths Beruf als Galeristin, der gediegenen Ausstattung (u.a. Comme des Garçons) und Joe Cockers You Can Leave Your Hat On findet sich wenig Kunst in diesem durchgestylten Hollywoodstreifen. Zwei Gründe sprechen dennoch dafür, 9 ½ Wochen hier zu besprechen: seine geradezu idealtypische 1980er-Jahre-Ästhetik und seine filmgeschichtliche Link-Position zwischen Der letzte Tango in Paris und Fifty Shades Of Grey.

In allen drei Fällen lässt sich eine gebildete, aber sexuell eher unerfahrene junge Frau auf eine riskante Beziehung zu einem sexuell dominanten Mann ein, verfällt seiner gefährlichen Sexualität und unterwirft sich ihm (zunächst) kompromisslos.

9 ½ Wochen ist kein Kunstkino, sondern ein auf Hochglanz polierter Hollywoodfilm im kühlen Porno-Chic der 1980er Jahre mit zwei charmanten Stars, zwischen denen die Chemie stimmt.

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Kunst-Pornos von Belle de Jour bis Nymphomaniac - Teil 3: Der Nachtportier & Die 120 Tage von Sodom

Wir bleiben in den 1970er Jahren, wenden und diesmal aber zwei Filmen zu, die als umstrittene Politpornos Furore machten. Beide entstanden Mitte der 1970er Jahre in Italien und wählten die Zeit, bzw. den Hintergrund des Nationalsozialismus als Kulisse für ihre kontrovers diskutierten Plots.

Der Nachtportier (1974)

Liliana Cavanis 1974 gedrehtes Erotikdrama Der Nachtportier mit Charlotte Rampling und Dirk Bogarde in den Hauptrollen, ist im Nachkriegswien der 1950er Jahre angesiedelt. Der ehemalige SS-Offizier Theo Aldorfer arbeitet als Nachtportier in einem Wiener Luxushotel, in dem eines Tages auch die Dirigentengattin Lucia mit ihrem amerikanischen Ehemann absteigt.

Theo und Lucia verbindet eine erschütternde gemeinsame Vergangenheit. Als junges Mädchen war Lucia in dem Konzentrationslager interniert, in dem Theo dem Wachpersonal angehörte und er machte die 14jährige zu seiner Gespielin. In einem sadomasochistisch geprägten Abhängigkeitsverhältnis entwickelte sich zwischen Täter und Opfer eine ambivalente Liaison zwischen Gewalt, Hörigkeit und Zuneigung.

Statt ihren Peiniger nun anzuzeigen, fühlt sich Lucia zu Theo hingezogen und beide lassen ihre sadomasochistische Beziehung erneut aufleben, allerdings unter veränderten Macht- und Dominanzverhältnissen.

Lucia verlässt sogar ihren Mann, um sich mit Theo ganz ihren sexuellen Exzessen hinzugeben, bis die Vergangenheit beide einholt und Schüsse fallen…

Seit seiner Veröffentlichung zählt Der Nachtportier zu den umstrittensten Werken seines Genres. Gleich nach Erscheinen von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt, setzten sich prominente Filmschaffende wie Luchino Visconti für die Freigabe ein und erreichten eine unzensierte Veröffentlichung als Kunstfilm.

Ist Der Nachtportier nun ein trashiger Gewaltporno, der die Gräueltaten des Dritten Reichs als unreflektierte Hintergrundfolie für triviale SM-Erotik missbraucht oder eine diffizile, sexualpathologische Forschungsreise in die düsteren Abgründe der menschlichen Natur? Vermutlich etwas von beidem. In jedem Fall handelt es sich um ein künstlerisch ambitioniertes, kontroverses Stück Filmgeschichte, das man einmal gesehen haben sollte, um trefflich darüber zu diskutieren.

Die 120 Tage von Sodom (1975)

Illustration zu Juliette, Wikipedia Commons (gemeinfrei)
Illustration zu Juliette, Wikipedia Commons (gemeinfrei)

Nicht weniger umstritten als Liliana Cavanis Der Nachtportier ist Pier Paolo Pasolinis 120 Tage von Sodom nach dem gleichnamigen Skandalbuch des berüchtigten Marquis de Sade. 1975 entstanden, handelt es sich um den letzten Film des italienischen Ausnahmeregisseurs vor seiner mysteriösen Ermordung im gleichen Jahr.

Pasolini verlegt die Handlung aus dem 17. Jahrhundert in die fiktive, von den Nationalsozialisten besetzte Italienische Sozialrepublik.

Angelehnt an die Erzählstruktur aus Dantes Göttlicher Komödie ist der Film in drei Kapitel unterteilt, den Höllenkreis der Leidenschaft, der Scheiße und des Blutes.

Vier Würdenträger des faschistischen Regimes (der Fürst, der Monsignore, der Präsident und der Bischof) lassen junge Frauen und Männer verschleppen, um sie auf einem abgeschotteten Anwesen gefangen zu halten und sich auf jede denkbare Art und Weise an ihnen zu vergehen. Die divenhafte Signora Vaccari, eine ehemalige Prostituierte, übernimmt dabei die Rolle der Hausdame, die die Gesellschaft mit erotischen Erzählungen unterhält. Eine Art Regelbuch gilt als strenger, geradezu liturgischer Leitfaden für die ebenso grausamen wie perversen Ausschweifungen, an deren Ende sadistische Folter und barbarischer Mord stehen.

Pasolinis Sade-Adaption ist das vermutlich umstrittenste Werk unserer Reise durch die Geschichte des erotischen Kunstkinos. Die zwangsprostituierten Knaben und Mädchen scheinen kaum volljährig zu sein, die an ihnen verübten Gräueltaten werden von Szene zu Szene sadistischer und perverser. Demütigungen, grausame Züchtigungen, Vergewaltigungen, Zoomimik und Koprophilie sind nur einige der Perversionen, die Pasolini in seinem Skandalfilm zur Darstellung bringt.

Moral, Ethik und Gesetz werden in dem rechtsfreien Mikrokosmos des Lustschlosses nicht bloß über Bord geworfen, sie werden umgekehrt und dadurch pervertiert.

Pasolinis Film ist eine schockierende, oft kaum erträgliche Parabel auf Faschismus, Machtmissbrauch und die Abgründe der menschlichen Natur. Befreit von moralischen Wertsystemen und gesellschaftlicher Ordnung, brechen sich in einem dekadenten Verfallsklima niederste Triebe und unfassbare Brutalität Bahn.

Die 120 Tage von Sodom ist sicher kein erotisches Vergnügen, aber dafür eine brachial konsequente Literaturverfilmung einer monströsen Dystopie über die „Anarchie der Macht“.

 

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Kunst-Pornos von Belle de Jour bis Nymphomaniac - Teil 2: Die Geschichte der O & Im Reich der Sinne

Im zweiten Teil meiner Blogserie geht es um zwei erotische Filmklassiker der 1970er Jahre, die in ihrer Bildsprache kaum unterschiedlicher sein könnten.

Just Jaeckins Adaption des SM-Klassikers Geschichte der O bleibt weit hinter dem tabubrechenden Skandalon der literarischen Vorlage zurück, während der japanische Nouvelle-Vague-Regisseur Nagisa Oshima aus einem Tatsachenbericht einen der radikalsten Kunstpornos der Filmgeschichte macht.

Die Geschichte der O (1975)

Franz von Bayros, Wikimedia Commons (gemeinfrei)
Franz von Bayros, Wikimedia Commons (gemeinfrei)

1975 verfilmt der französische Modefotograf und Regisseur Just Jaeckin (Emmanuelle) mit Die Geschichte der O den Klassiker der sadomasochistischen Literatur mit Corinne Clery, Udo Kier und Anthony Steel in den Hauptrollen.

Wie in Dominique Aurys literarischer Vorlage aus dem Jahr 1954 erzählt der Film die Geschichte der devoten Pariser Modefotografin O, die sich von ihrem Geliebten René auf das Anwesen Roissy bringen lässt, um dort zusammen mit anderen Frauen zur gefügigen Lustsklavin ausgebildet zu werden.

O fügt sich in einer Melanche aus selbstlos-aufopfernder Liebe zu René und erfüllender Faszination in den fast klösterlich anmutenden Alltag aus Submission, Hörigkeit, erniedrigenden Vergewaltigungen, lustvollen Orgien und qualvollen Züchtigungen aller Art.

Nach ihrem Aufenthalt auf dem Lustschloss entspricht sie dem Wunsch Renés, fortan seinem ebenfalls dominant-sadistischen Halbbruder Sir Stephen anzugehören und verliebt sich in den älteren Mann. Zum Zeichen ihrer vollständigen Unterwerfung absolviert O eine noch härtere Erziehung auf dem Anwesen der Domina Anne-Marie und lässt sich schließlich mit eisernen Ringen und Sir Stephens Initialen dauerhaft als sein Eigentum brandmarken…

Just Jaeckins Romanverfilmung ist luxuriöses Ausstattungskino im schwül-pastellenen Weichzeichnerstil der 1970er Jahre mit schönen Menschen vor exquisiten Kulissen. Seine Geschichte der O ist ein ästhetisch komponierter Bilderreigen, ein erotisches Märchen, aber nie pornographisch. Jaeckins belässt es bei Andeutungen und überlässt vieles der Fantasie des Zuschauers. Dabei spart die Verfilmung nicht an Orgien, Vergewaltigungen und Auspeitschungen, vielmehr übersetzt sie die distanzierte Hochsprache der Autorin in uneindeutige, ästhetisch verklärte Traumbilder. Jaeckin verzichtet auf die explizit pornographische Darstellung von Geschlechtsverkehr, wenn O sich unter der unbarmherzig knallenden Peitsche windet, bleibt ihre makellose Haut unversehrt und in der Szene der Brandmarkung blendet die Kamera ab, ohne die grausame Gewalttat visualisiert zu haben.

Obwohl Jaeckin die Vorlage damit deutlich entschärft und ihr sogar eine eigene, versöhnliche Schlusssequenz anfügt, bleiben Handlung und Thematik doch ebenso kontrovers und die masochistische Heldenreise seiner Protagonistin ebenso ambivalent wie im Roman.

In Deutschland, Großbritannien und einigen weiteren Ländern war der Film bis vor wenigen Jahren indiziert, darf aber inzwischen wieder in ungekürzter Schnittfassung verbreitet werden.


Im Reich der Sinne (1976)

Ein erotischer Filmklassiker ganz anderer Radikalität ist Nagisa Oshimas Skandalfilm Im Reich der Sinne aus dem Jahr 1976.

Nach einer wahren Begebenheit aus dem Japan der 1930er Jahre erzählt Oshima die Geschichte des Familienvaters Kichizo und der Prostituierten Sada, die einander in obsessiver Leidenschaft verfallen. Kichizo verlässt seine Familie, um sich zusammen mit Sada ganz seiner Lust hinzugeben. In einer von der Außenwelt mehr und mehr abgeschotteten Enklave überschreiten sie gesellschaftliche wie sexuelle Tabus und loten ihre Geschlechtlichkeit in allen denkbaren lust- bis schmerzvollen Spielarten aus.

Während der wohlhabende Kichizo zunächst als dominant-fordernder Alphamann auftritt, verfällt er zunehmend der erotischen Anziehung und der aggressiven Sexualität seiner Liebesdienerin, was sich letztlich bis zur Hörigkeit und zur Selbstaufgabe steigert.

Ihre gemeinsame sexuelle Obsession findet schließlich ihren grausam-blutigen Höhepunkt in einem todbringenden Liebesakt und einer barbarischen Gewalttat.

Als Im Reich der Sinne auf der Berlinale 1976 seine Kinopremiere feiern sollte, kam es zum Eklat, indem der Film wegen des Vorwurfs der Pornografie kurzfristig von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt wurde. Erst zwei Jahre später konnte er mit dem Prädikat „besonders wertvoll“ in den deutschen Kinos anlaufen.

Ihren Ruf als Skandalfilm und den hartnäckigen Vorwurf der Pornografie verdankt die japanisch-französische Co-Produktion ihrer bis dahin im seriösen (Arthouse-)Kino nicht gekannten expliziten Darstellung von Sexualität und Gewalt. Ob Geschlechtsakt, Erektion oder Blowjob, Oshimas Kamera hält in tabulosen Close-Up-Aufnahmen unbarmherzig drauf.

Berühmt-berüchtigt sind die Szene, in der sich Sada auf den Wunsch Kichizos hin ein gekochtes Hühnerei einführt und dieses später wieder herauspresst und die schockierende Schluss-Sequenz, in der die offenbar unter Schock stehende Heldin mit ihrer blutigen Trophäe durch die Straßen irrt.

Oshima verlangt seinen Darstellern und seinem Publikum einiges ab. Endlos, ermüdend bis schmerzhaft reihen sich die sexuellen Eskapaden von Kichizo und Sada aneinander, steigern sich in kleinen Schritten bis zur unumgänglichen Katastrophe.

Sinnlich und erotisch ist diese manische sexuelle Tour de force nur punktuell, großes Kino allerdings allemal. Nagisa Oshima bettet sein kompromissloses Sex-Drama in hochartifizielle, betörend schöne Bilder von exotisch-fernöstlicher Farbenpracht.

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Kunst-Pornos von Belle de Jour bis Nymphomaniac - Teil 1: Belle de Jour & Der letzte Tango in Paris

Felicien Rops, Wikimedia Commons (gemeinfrei)
Felicien Rops, Wikimedia Commons (gemeinfrei)

Anlässlich der Filmpremiere von 50 Shades of Grey soll es in meiner neuen Blogserie um skandalträchtige Autorenfilme gehen, denen der diffizile Balance-Akt zwischen anspruchsvoller Unterhaltung und bildhafter Erotik gelingt. Filme, die in ihrer Bildsprache oft weitaus drastischer und unverblümter daher kommen, als der gehypte Softporno aus Hollywood, deren Plots tatsächlich mit bestehenden Tabus gebrochen haben und die trotzdem oder gerade darum großes intellektuelles Kino sind und zurecht zu den Klassikern der Filmgeschichte zählen.

Beginnen wir unseren Streifzug durch die Geschichte des erotischen Kinos in den 1960er Jahren mit Belle de Jour und Bernardo Bertoluccis Der letzte Tango in Paris.

Belle de Jour - Schöne des Tages (1967)


1967 verfilmt der spanische Regie-Exzentriker Luis Buñuel mit Belle de Jour den gleichnamigen Roman des französischen Schriftstellers Joseph Kessel mit Catherine Deneuve und Michel Piccoli.

Der Film erzählt die Geschichte der jungen Pariser Arztgattin Séverine Sérizy, die ihrem bourgeoisen Alltag entflieht, indem sie sich sadomasochistischen Tagträumen hingibt.  Im Bett ihres Mannes zurückhaltend und geradezu frigide, träumt Séverine von Unterwerfung, öffentlichen Demütigungen und grausamen Züchtigungen. Durch Henri, einen Bekannten Ihres Mannes, gelangt sie schließlich an die Adresse eines exklusiven Bordells, in dem sie schon bald nachmittags als Belle de Jour (Schöne des Tages) zu arbeiten beginnt und eine sexuelle Erfüllung findet, die ihr in ihrer Ehe verwehrt bleibt. Abends kehrt sie als brave Bürgersfrau zu ihrem nichtsahnenden Gatten zurück.

Séverines skandalöses Doppelleben droht jedoch aufzufliegen, als sich ein junger Freier in sie verliebt und Henri sie unter Druck setzt…

Der als surrealistischer Regisseur bekannt gewordene Luis Buñuel (Ein andalusischer Hund in Zusammenarbeit mit Salvador Dalí) vermischt auch in seinem späten Meisterwerk Belle de Jour auf äußerst kunstvolle Weise die Ebenen von Traum und Realität. Die Übergänge zwischen Séverines erotischen Visionen und der Filmwirklichkeit sind fließend und optisch nicht voneinander zu unterscheiden. Buñuel inszeniert Catherine Deneuve in seinem exquisit von Yves Saint Laurent ausgestatteten Sittengemälde als kühle Blonde und zugleich so sinnlich und freizügig wie selten in ihrer langen Karriere. Nicht umsonst teilt Séverine ihren Vornamen mit dem masochistischen Helden aus Leopold von Sacher-Masochs Venus im Pelz. Kaum ein anderer Film zeigt sadomasochistische Fantasien in so edlen, ästhetischen Bildern und verknüpft auf derart meisterhafte Weise Gesellschaftskritik mit sinnlicher Erotik.

Der letzte Tango in Paris (1972)


In Bernardo Bertoluccis Skandalklassiker Der letzte Tango in Paris aus dem Jahr 1972 treffen sich der reife Amerikaner Paul (Marlon Brando) und die junge Französin Jeanne (Maria Schneider) zufällig bei der Besichtigung einer leerstehenden Wohnung und haben spontanen, heftigen Sex miteinander, ohne den Namen oder die Identität des anderen zu kennen. Als sie sich am nächsten Tag wieder begegnen, stellt Paul die Regel auf, dass sie sich auf die gleiche anonyme Weise weiterhin zum Sex in der Wohnung treffen werden.

Der Zuschauer erfährt, dass Pauls untreue Ehefrau kürzlich Selbstmord begangen hat und Jeanne in einer fragilen Partnerschaft mit dem experimentellen Jungfilmer Tom verbunden ist, der ihre Liebesbeziehung zum Gegenstand seines Filmprojekts macht.

Paul und Jeanne treffen sich derweil weiter zu philosophischen Gesprächen und sexuellen Intermezzi unterschiedlichster Couleur.

Als erst Jeanne und etwas später Paul begreifen, dass sie sich in einander verliebt haben, ist es zu spät und der Wunsch, ihre Amour fou in ein gesellschaftlich legitimiertes Liebesverhältnis zu überführen, ist zum Scheitern verurteilt. Bei einem biederen Tanzwettbewerb tanzen sie den letzten Tango, ehe ein Schuss fällt…

Wer kennt sie nicht, die berühmte Szene, in der sich Paul und Jeanne nackt und umschlungen auf dem Fußboden gegenüber sitzen und versuchen, einander kraft ihrer Gedanken zum Höhepunkt zu bringen? Die brutale anale Vergewaltigung mit dem berühmten Butterstück? Pauls Forderung an Jeanne, sich die Fingernägel zu kürzen, um ihn mit ihrer Hand zu penetrieren?

Die Legende des Films lebt von diesen Tabubrüchen – von Pauls vulgärer Sprache und der drastischen Darstellung roher, gewalttätiger Sexualität.

Die nahezu leere Wohnung in einer fiktiven Pariser Straße ist eine erotische Enklave, ein utopischer, zivilisationsferner Fluchtort, an dem bürgerliche Moralvorstellungen keine Gültigkeit haben. Hier regiert der Sexus in all seiner ursprünglichen Animalität und triebhaften Brutalität. Doch der Letzte Tango hat mehr zu bieten, als  eine brachiale sexuelle Utopie, die in ihrer drastischen Bildsprache als pornographisch gelten kann.  Er ist auch im höchsten Maße zivilisations- und gesellschaftskritisch, verhandelt Themen wie Kommunikationsverlust, Entfremdung, die patriarchalische Machtordnung und geschlechtliche Rollenbilder. In seiner an der rohen Bildsprache von Francis Bacon geschulten Ästhetik ist Der letzte Tango in Paris ein kontroverser Kunst-Porno im bestmöglichen Wortsinn.

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Lou Reed und die Venus im Pelz

Aubrey Beardsley, Wikimedia Commons (gemeinfrei)
Aubrey Beardsley, Wikimedia Commons (gemeinfrei)

Severin, down on your bended knee

Taste the whip, in love not given lightly

- The Velvet Underground: Venus in Furs -

 

1870 veröffentlichte Leopold von Sacher-Masoch seine sadomasochistische Skandalnovelle Venus im Pelz, die dem Masochismus wenig später seinen Namen gab. Der aus einem slawischen Adelsgeschlecht stammende österreichische Schriftsteller beschreibt darin die Liebes- und Leidensgeschichte des devot-masochistisch veranlagten Severin von Kusiemski.  In einem Kurort in den Karpaten trifft Severin auf die junge und schöne Witwe Wanda, die ihn an das Bild einer griechischen Venus im Pelz erinnert, von dem er von Kindheit an fasziniert ist.

Severin beginnt, um seine Angebetete zu werben, bittet sie sogar, seine Frau zu werden, doch Wanda lehnt ab. Schließlich willigt sie jedoch nach langem Bitten und Flehen ein, stattdessen seine Herrin zu werden und macht Severin zu ihrem hörigen Sklaven Gregor. Wanda erfüllt Severins Wünsche nach Unterwerfung, despotischer Herrschaft, psychischer und physischer Qual, wobei sie auch immer wieder als seine feinfühlige Geliebte auftritt, und ihren ergebenen Liebhaber damit in ein aufreibendes Wechselbad der Gefühle stürzt. Doch Wandas Umgang mit anderen, teils dominant veranlagten Männern macht Severin mürbe. Den sadistischen Höhepunkt seiner Erniedrigungsodyssee bildet schließlich die brutale Auspeitschung durch Wandas griechischen Liebhaber. Severin kehrt Wanda den Rücken und reist 'geheilt' auf das Gut seiner Familie zurück. Dort angekommen wechselt der ehemalige Sklave in die Rolle des dominanten Herrn, da er eine gleichberechtigte Beziehung zwischen Mann und Frau für unmöglich hält, solange keine gesellschaftliche Gleichstellung der Geschlechter erreicht ist.

Neben diversen Verfilmungen und Bühnenadaptionen inspirierte der Stoff 1967, nahezu einhundert Jahre nach Erscheinen der Novelle, auch Lou Reed und seine New Yorker Art-Rock-Band The Velvet Underground zu dem Titel Venus in Furs. Der Song ist auf dem von Pop-Künstler Andy Warhol produzierten Debütalbum der Band The Velvet Underground and Nico (das berühmte Bananen-Cover) zu finden.

John Cales elektrische Viola erzeugt das unverkennbare Knallen einer Peitsche, für das Nicos Tamburin und Maureen Tuckers Drums den unbarmherzigen Rhythmus vorgeben. Dazu erzählt Lou Reed vor der Klangkulisse seines eigenwilligen Gitarren-Drones in seinem unvergleichlichen Sprechgesang von Severins Unterwerfung. Glänzende Lederstiefel, Hermelin-Pelze und die züngelnden Peitschenriemen sind sein Fetisch, während seine Herrin fordert: »Taste the whip, now bleed for me«.

Schon ihren Bandnamen The Velvet Underground verdankt die Gruppe um den Literaturwissenschaftler Reed und den studierten Bratschisten Cale einem gleichnamigen Enthüllungsbuch über die Verbreitung bizarrer Sexualpraktiken und Sadomasochismen in der amerikanischen Mittelschicht. Schwarze Bühnenoutfits und an SM-Fetische erinnernde Accessoires wurden zum Markenzeichen der bewusst distanziert auftretenden Avantgarde-Band. The Velvet Underground wurden mit ihrer düsteren, zynischen Attitüde zum Kontrapunkt zum friedensbewegten Bunt der Hippie-Bewegung und zum Wegbereiter für skeptizistische Strömungen wie Punk, Industrial und Alternative.

Unter der Obhut Andy Warhols und im schillernden Klima der Factory konnten The Velvet Underground nicht nur ihren experimentellen, von monotonen Drums, Kakophonien und Dissonanzen geprägten Sound entwickeln, sondern kamen auch in Kontakt mit Vertretern der Underground-Szene, die sie in ihren Songs portraitierten. Reed und Cale machten Warhol-Musen und Factory-Superstars, Stricher, Huren, Transvestiten und Dominas zu den Protagonisten ihrer gesellschaftskritischen aber wertfreien Erzähl-Lyrics. Erstmals hielten kontroverse Themen wie Prostitution, die Schattenseiten des Ruhms, Drogensucht, Trans- und Homosexualität sowie Sadomasochismus Einzug in die Pop- und Rockmusik.

Im konservativen Klima der USA waren The Velvet Underground, die sich auf das literarische Erbe der Beat-Literaten (Ginsberg, Burroughs, Kerouac) und Jean Genets beriefen, eine Ausnahmeerscheinung. Ihre Songs behandelten gesellschaftliche Tabuthemen in provokanter Sprache und drastischen Bildern und schufen einen in der populären Musikgeschichte kaum je erreichten Sozialrealismus von literarischem Rang.

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Über die Vorzüge, einen Strumpfgürtel zu tragen

Fotograf unbekannt
Fotograf unbekannt

1970 ließ sich die österreichische Aktions- und Medienkünstlerin Valie Export einen Strumpfhalter auf den Oberschenkel tätowieren, als »Zeichen einer vergangenen Unterwerfung«. Arbeiten wie die Aktionshose Genitalpanik und das Tapp-und-Tastkino machten sie zur Ikone der emanzipatorischen Kunst.

Wie die Befreiung von der einengenden Mieder- und Korsettschnürung durch die Erfindung des BHs um 1910 und wiederum dessen Verbrennungsaktionen durch die 1968er-Feministinnen, kam auch die Ablösung von Hüfthaltern und Strumpfgürteln durch die Feinstrumpfhose einem Befreiungsschlag gleich.

Wie das Korsett galten sie damals als Sinnbild weiblicher Unfreiheit und gesellschaftlicher Zwänge, heute als verruchtes Accessoire und Symbol der sexuellen Objektmachung der Frau.

Warum also in Zeiten von Jeans und 99-Cent-Strumpfhosen einen Strumpfhalter tragen? Ganz einfach: Weil es nichts Sinnlicheres und Bequemeres gibt, als einen gut sitzenden Strapsgürtel mit den passenden Strümpfen. Nun mag man Ersterem zustimmen, aber bei Letzterem widersprechen, was denn ausgerechnet an dem elenden Gefummel mit den mindestens vier Strumpfbändern und den diffizilen Befestigungsclips aus Plastik oder Metall bequem sein kann.

Warum also nicht einfach zu halterlosen Strümpfen mit praktischen Silikonstreifen greifen?

Weil sie im Sommer oder bei längerem Laufen einfach hinunterrutschen oder nach langem Sitzen grässlich zu kleben anfangen und tiefe Abdrücke auf der Haut hinterlassen. Für einige Stunden können halterlose Strümpfe also durchaus die perfekte Wahl sein, um jedoch den ganzen Tag mit ihnen zu verbringen, eignen sich Strapse sehr viel besser.

Ich gebe zu, es benötigt ein wenig Übung, vor allem die hinteren Clips zu befestigen, doch zugleich kann das Aufrollen und Anstrapsen der Strümpfe auch ein sehr sinnlicher Akt sein.

Sind die Strümpfe erst einmal befestigt, gibt es nichts mehr, das drücken könnte – kein schmaler, einschneidender Strumpfhosenbund, keine nervigen Klebestreifen am Oberschenkel.

Nun mag man einwenden, dass sich die Strumpfbänder und Clips doch unter enger Kleidung abzeichnen und man überhaupt auf kurze Röcke und Kleider verzichten muss, wenn man nicht bei jedem Schritt befürchten will, dass die Strumpfbänder unter dem Saum sichtbar werden.

Natürlich eignen sich Strapse nicht für kürzeste Minis, zumindest, wenn man nicht sehr plakative erotische Zwecke damit verfolgt.

Alle anderen Einwände lassen sich jedoch entkräften, wenn man ein paar Tipps befolgt.

Wie ein BH sollte auch ein Strumpfgürtel hochwertig verarbeitet sein und vor allem gut sitzen. Die meisten Modelle sind so gearbeitet, dass sie in der Taille und nicht auf der Hüfte getragen werden sollen. Ein guter Strumpfhalter lässt sich in der Weite mit den gleichen kleinen Häkchen und Ösen verstellen wie ein BH und auch die Strumpfbänder sind wie BH-Träger längenverstellbar. Eine recht brauchbare Faustregel ist es, die Länge der Strumpfbänder so einzustellen, dass die Strümpfe etwa eine Handbreit unterhalb des Schritts und der Pofalte angestrapst werden. Dann sitzen die Strümpfe im Allgemeinen hoch genug, um auch unter knapp knielangen Röcken und Kleidern nicht sichtbar zu werden. Sinnvoll ist es außerdem, die vorderen Strumpfbänder etwas schräg zum Schritt hin, die hinteren dagegen etwas seitlich nach außen zu befestigen. Dadurch erreicht man, dass die vorderen beim Sitzen keine sichtbaren Beulen erzeugen, sondern glatt auf dem Oberschenkel aufliegen, während die hinteren Halter nicht unangenehm in den Po drücken.

Eine weitverbreitete Frage ist außerdem, ob man den Strumpfgürtel besser unter oder über dem Höschen tragen sollte. In meinen Augen ist das Tragen des Strumpfhalters unter dem Slip ein absolutes No-Go.

Schließlich lassen sich die Häkchen im Rücken mit nur einem einzigen Handgriff lösen und sollte selbst dafür einmal die Zeit fehlen, haben die meisten guten Strumpfgürtel so viel Stretch, dass sie auch das Herabziehen über die Hüfte durchaus verzeihen. Für die sinnlichen Stunden zu zweit sei einfach ein hübsches Höschen mit Ouvert-Lösung empfohlen. Dann kann frau den Strumpfhalter sogar anbehalten.

Natürlich gibt es ebenso viele Strumpfgürtel- und Strapsstrumpf-Varianten, wie es BHs und Strumpfhosen gibt.

Vom Retro-Mieder über breite Hüfthalter, Straps-Corsagen und Corselettes bis hin zu filigranen Strumpfgürteln aus Spitze und Seide bieten Dessous- und Lingerie-Hersteller Modelle für alle Anlässe, Geschmäcker und Geldbeutel. Sehr schöne und hochwertige Entwürfe haben beispielsweise die französischen Lingerie-Künstler von Aubade, Chantelle und Chantal Thomass im Angebot, aber auch günstigere Marken wie Passionata und Triumph bieten eine breite Palette von Modellen.

Eine praktische Alternative zu klassischen Strumpfgürteln sind aber zum Beispiel auch Slips, an denen die Strumpfbänder direkt angebracht sind. Meist sind diese über kleine Riegel und Schlaufen einfach abnehmbar. Aber auch hier sollte man auf die Qualität und vor allem auf die Gewichtsverhältnisse achten. Zu schwere und breite Strumpfbänder, evtl. auch noch mit Metall-Clips versehen, sind an zarten Höschen einfach zu schwer und ziehen Slip und Strümpfe gleichermaßen nach unten.

Auch die Wahl der Strümpfe selbst ist selbstverständlich den persönlichen Vorlieben und Bedürfnissen überlassen. Allerdings gibt es zwei Grundvarianten. Zum einen wären da die »klassischen Nylons«, zum anderen moderne, elastische Feinstrümpfe.

Echte Nylonstrümpfe sind fester als die moderne Variante und ganz ohne Elastan gearbeitet. Dadurch sind sie nicht elastisch und werfen an Knie und Kniekehlen gern Falten, wenn sie nicht optimal sitzen. Stattdessen schmiegen sich solche Strümpfe ganz sanft und luftig ums Bein und man spürt die streichelnde, schmeichelnde Bewegung des Nylons bei jedem Schritt. Typisch für »echte Nylons« ist außerdem die Naht, die hier keine Ziernaht ist. Zudem sind Ferse und Saum echter Nylons meist gut verstärkt, sodass auch äußerst feine Modelle bei pfleglicher Behandlung erstaunlich widerstandsfähig und haltbar sind.

Wenn man aber nicht gerade auf diesen absoluten Retro-Chic steht und auf das besondere Tragegefühl echter Nylons zugunsten eines eng am Bein anliegenden modernen Strumpfs verzichtet, hat man eine schier unendliche Auswahl an Modellen, Varianten und Preisklassen. Hier gelten ähnliche Faustregeln und Empfehlungen wie beim Kauf herkömmlicher Strumpfhosen. Strümpfe mit einer den-Zahl unter 20 sind sehr dünn und empfindlich, aber ideal für die Sommermonate. 20-den-Varianten sind die idealen Begleiter für den ganzen Tag, relativ haltbar und lichtdurchlässig. Ab 30 den werden die Strümpfe langsam blickdicht, aber mit zunehmender den-Zahl auch immer strapazierfähiger und wintertauglicher. Ob man sich für Modelle mit süßem Spitzensaum oder schlichte Varianten lediglich mit verstärktem Rand entscheidet, bleibt wiederum ganz dem individuellen Geschmack und Anlass überlassen.

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Lilie des Meeres, oder wie ich zur erotischen Literatur kam

Lilie des Meeres, Rowohlt 1970
Lilie des Meeres, Rowohlt 1970

»Ich war achtzehn und mit einer Freundin im Sommerurlaub auf Sardinien. Wir lebten bei einer Fischerfamilie und verbrachten die Tage am Strand. Bei einem nachmittäglichen Spaziergang im Strandkiefernwald traf ich ihn, dessen Namen ich bis heute nicht kenne. Er war ein junger Mann aus dem Dorf, wohl nicht allzu gebildet, aber hübsch mit einem schönen, ernsten Gesicht. Ich verabredete mich mit ihm für den darauffolgenden Abend um Mitternacht am Strand und erteilte ihm genaue Instruktionen für die Nacht, in der ich meine Entjungferung plante. Er sollte mich am Strand ergreifen, überwältigen und mir die Hände auf dem Rücken fesseln. Dann sollte er mich unterwerfen, ohne mich zu grob zu behandeln und ohne zu mir zu sprechen. Ich würde mich ihm freiwillig hingeben, mich ganz seinen Wünschen fügen, wenn er sich nur an meine Anordnungen hielte. Zum Zeichen meiner Aufrichtigkeit gestattete ich ihm noch am selben Abend, seine Beute in Augenschein zu nehmen. Er kam an mein Fenster und ich präsentierte mich ihm nackt, hingestreckt auf dem Bett liegend, nur mit einem goldenen Halsband bekleidet. Als er sich anschickte, durchs Fenster zu klettern, schickte ich ihn fürs Erste davon.

Es war eine klare, mondhelle Nacht, das Meer tiefschwarz und obwohl ich ihn erwartete, überraschte er mich. Er band meine Hände mit seiner Krawatte, ehe er ausgiebig meinen Körper erkundete. Plötzlich bekam ich Angst, doch es nützte nichts mehr. Seine Erregung war zu groß, um jetzt noch innezuhalten. Also ergab ich mich in mein Schicksal, ließ mich von ihm in den Dünen zu Boden zwingen und erduldete seinen Angriff mit Stolz und Demut.«

berichtet Odice in meinem Roman Odice – Zeiten der Sinnlichkeit, doch ihr Geliebter Julien erkennt in ihrer angeblich autobiografischen Erzählung die Handlung aus André Pieyre de Mandiargues‘ Novelle Le Lis de Mer.

   Ich selbst war sechzehn, als mir das schmale rororo-Taschenbuch des französischen Schriftstellers mit dem deutschen Titel Lilie des Meeres in die Hände fiel.

Contessa Vanina, die tatsächliche Heldin der Geschichte, ist eine schöne, kühle Internatsschülerin, ebenso gebildet wie überheblich und verwöhnt. Und sie wählt sich einen sardischen Adonis zum Eroberer, wie es dreißig Jahre später auch Benoîte Groults George in Salz auf unserer Haut mit ihrem bretonischen Fischer tun wird.

Es ist gerade diese emanzipatorische Grundhaltung, mit der Mandiargues seine junge Protagonistin ausstattet, die mir bis heute imponiert. Wie George ist Vanina ihrem schönen, bäurischen Liebhaber intellektuell weit überlegen; sie ist es, die die Bedingungen stellt, die Parameter festlegt und die Dramaturgie ihres archaischen Entjungferungsrituals ersinnt.

Es ist eine kalkulierte Unterwerfung, die Verwirklichung einer erotischen Fantasie, die Vanina minutiös plant und mit ihrem namenlosen Geliebten am wilden korsischen Strand vollzieht.

Vanina macht ihren Liebhaber zum Erfüllungsgehilfen ihrer devoten Fantasien und wird damit nicht wie etwa Justine oder O zum servilen Objekt männlicher Dominanz. Obwohl sie sich letztlich ganz in die Situation ergibt, sich ihrem schönen Sarden ausliefert und wehrlos gefesselt hingibt, bleibt ihr Handeln bis zuletzt Ausdruck einer absolut selbstbestimmten, lustvollen und von jeglichen Konventionen befreiten weiblichen Sexualität.

André Pieyre de Mandiargues, der gern zur zweiten Generation der Surrealisten gezählt wird und sich selbst in der Tradition der Deutschen Romantik sieht, schreibt mit Le Lis de Mer 1956 (zwei Jahre nach Erscheinen von Pauline Réages sadomasochistischem Skandalroman Histoire d’O) eine höchst erotische und sehr einfühlsame Novelle über das sexuelle Erwachen einer jungen Frau.

Seine präzise, klare Sprache verbindet sich dabei mit der hypnotischen Kraft der arkadischen Szenerie. Das wilde Gestade der sardischen Bucht, das Schilfdickicht und das Strandkiefernwäldchen werden zur magischen Kulisse für diesen sinnlichen Deflorationsmythos.

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Willkommen, bienvenue, welcome

 

Ich glaube nicht, dass die Grenze zwischen Pornographie und Kunstwerk schwer zu bestimmen sei. Der ehrliche Kenner wird diese Grenze mit der gleichen Sicherheit festzustellen imstande sein wie jede andere zwischen Kunst und Nichtkunst.

 

– Arthur Schnitzler –

 

 

Liebe Leserinnen und Leser,

mit diesen Worten des österreichischen Erzählers und Dramatikers Arthur Schnitzler (1862 – 1931) möchte ich meinen Blog über Erotik, Kunst und Zeitgeschehen eröffnen.

 

Ich werde an dieser Stelle darauf verzichten, das Themenspektrum konkreter zu umreißen und damit enger einzugrenzen. Diejenigen unter Ihnen/euch, die meine Romane bereits kennen und über sie den Weg auf diesen Blog gefunden haben, haben vielleicht schon eine gewisse Vorstellung davon, was sie auf diesen Seiten in Zukunft erwarten könnte. Alle anderen seien herzlich eingeladen, sich überraschen zu lassen vom weiten Spannungsfeld der Erotizismen in Kunst, Literatur und Kultur.

 

In diesem Sinne wünsche ich ein informatives und anregendes Lesevergnügen!

 

Cordialement,

 

Anaïs Goutier

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