Kunst-Pornos von Belle de Jour bis Nymphomaniac - Teil 4: Verführung & 9 1/2 Wochen

Wir kommen zu den 1980er Jahren und zwei Filmen zum Thema SM, die kaum unterschiedlicher sein könnten. Verführung: Die grausame Frau von Elfi Mikesch und Monika Treut ist ein ebenso provokanter wie experimenteller deutscher Kunstfilm, 9 ½ Wochen von Adrian Lyne ein Hollywood-Erotikdrama im Hochglanz-Look. Hier kommen vermutlich der unbekannteste und der berühmteste Film unserer Blogserie zusammen.

Verführung: Die grausame Frau (1985)

Franz von Stuck: Die Sünde, Wikipedia Commons (gemeinfrei)
Franz von Stuck: Die Sünde, Wikipedia Commons (gemeinfrei)

Verführung: Die grausame Frau ist ein Film der avantgardistischen Regisseurinnen Elfi Mikesch und Monika Treut aus dem Jahr 1985 mit Mechthild Großmann und Udo Kier in den Hauptrollen. Angelehnt an Die Venus im Pelz von Leopold von Sacher-Masoch entführt der collagehafte, assoziative Film in die ebenso faszinierende wie düstere Parallelwelt des Sadomasochismus.

Die geschäftstüchtige Domina Wanda veranstaltet in ihrem Galerie-Club im Hamburger Hafen regelmäßig artifizielle SM-Shows für gut zahlendes Publikum mit ihrer Entourage aus männlichen und weiblichen Subs, zu denen neben ihrem devoten Liebhaber Gregor (Udo Kier) bald auch der Journalist Märsch (Kunstprofessor Peter Weibel) zählt, der eigentlich einen Artikel über Wanda und über „abweichendes Sexualverhalten“ schreiben will. Wie alle Figuren im Film verfällt auch er der androgynen Femme Fatal und taucht ein in die fremde Welt aus Dominanz und Unterwerfung, Lust und Obsession. Erst als die Eifersucht in den erotischen Mikrokosmos Einzug hält, kommt das fragile Beziehungsgeflecht ins Wanken…

Verführung: Die grausame Frau ist eindeutig der feministischste Film in dieser Blogserie, mit einer starken, selbstbestimmten Frauenfigur im Zentrum. Wie Sacher-Masochs Wanda ist Mechthild Großmann mit ihrer Reibeisenstimme eine sinnliche Tyrannin, eine erotische Walküre, göttlich und grausam zugleich.

Verführung: Die grausame Frau kann zweifelsfrei zu den künstlerisch wertvollsten Beiträgen gezählt werden. In einer avantgardistischen Bildsprache mit experimentellen Kamera-Einstellungen und kunstvollen Verzerrungen gedreht, ist er ein leuchtendes Beispiel für die Radikalität des europäischen Underground-Kinos. Travestie und Transgender-Fragen werden ebenso offen und bildhaft verhandelt wie Sadomasochismus und abseitige sexuelle Fetische verschiedener Couleur.

9  1/2 Wochen (1986)

Ein SM-Film ganz anderer Art, im Grunde das genaue Gegenteil zu Verführung: Die grausame Frau, ist Adrian Lynes Erotikdrama 9 ½ Wochen aus dem Jahr 1986 mit Kim Basinger und Mickey Rourke in den Hauptrollen.

Der erfolgreiche Börsenmakler John und die Galeristin Elisabeth begegnen sich zufällig in New York. Bei ihrer zweiten zufälligen Begegnung macht John ihr ein teures Seidentuch zum Geschenk und beide beginnen eine rein sexuelle Beziehung. Dabei führt der dominante John die unbedarfte, aber faszinierte Elisabeth durch zunehmend sadomasochistisch geprägte Spiele Schritt für Schritt in seine Welt aus Dominanz und Unterwerfung. Doch nach 9 ½ Wochen zieht Elisabeth die Reißleine…

Berühmt ist 9 ½ Wochen für Kim Basingers Striptease zu You Can Leave Your Hat On und die kulinarische Verführungsszene auf dem Küchenfußboden.

Ich habe mich schwergetan mit der Entscheidung, 9 ½ Wochen in diese Blogserie über Kunst-Pornos aufzunehmen. Abgesehen von Elisabeths Beruf als Galeristin, der gediegenen Ausstattung (u.a. Comme des Garçons) und Joe Cockers You Can Leave Your Hat On findet sich wenig Kunst in diesem durchgestylten Hollywoodstreifen. Zwei Gründe sprechen dennoch dafür, 9 ½ Wochen hier zu besprechen: seine geradezu idealtypische 1980er-Jahre-Ästhetik und seine filmgeschichtliche Link-Position zwischen Der letzte Tango in Paris und Fifty Shades Of Grey.

In allen drei Fällen lässt sich eine gebildete, aber sexuell eher unerfahrene junge Frau auf eine riskante Beziehung zu einem sexuell dominanten Mann ein, verfällt seiner gefährlichen Sexualität und unterwirft sich ihm (zunächst) kompromisslos.

9 ½ Wochen ist kein Kunstkino, sondern ein auf Hochglanz polierter Hollywoodfilm im kühlen Porno-Chic der 1980er Jahre mit zwei charmanten Stars, zwischen denen die Chemie stimmt.

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